Videoblog: Die pandemiegerechte Lüftung der Andere Welt Bühne
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10. November 2021Pact for skills
Es gehört ja zum Ton aller Populisten, die EU für zu viel Bürokratie zu schelten. Dabei geraten die wichtigen und positiven Entscheidungen, die von den Mitgliedsstaaten in den Hintergrund. Zu diesen bahnbrechenden Entscheidungen gehört eine europäische Einigung über das lebenslange Lernen. Bereits im Jahr 2008 haben sich die Mitgliedsstaaten damals darauf geeinigt, dass es künftig außer den nationalen, formalen Bildungswegen auch einen internationalen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen geben soll.
Darin heißt es: „Diese Empfehlung sollte der Modernisierung des Bildungs- und Ausbildungssystems, der Kopplung zwischen Bildung, Ausbildung und Beschäftigung sowie der Brückenbildung zwischen formalem, nicht formalem und informellem Lernen dienen und auch zur Validierung von durch Erfahrung erlangten Lernergebnissen beitragen.“
Dieser neue Qualifikationsrahmen soll die nationalen Ausbildungssysteme nicht ersetzen, sondern zukunftsweisend ergänzen. Zudem soll Qualifikation international vergleichbar sein und damit ein Arbeiten und Lernen für jede Person in Europa ermöglichen. Bis zum Jahr 2012 sollten dazu die Mitgliedsstaaten der EU geeignete Maßnahmen ergreifen. Aber auch Deutschland hat bisher wenig unternommen. 2016 startete deshalb die Kommission eine Initiative.
Eine neue Qualifikationsagenda für Europa
Mit dieser Initiative einigten sich die Mitgliedsstaaten darauf, kompetenzorientiertes Lernen in den Mittelpunkt künftiger Förderung zu stellen. Am Beispiel der Theater- und Veranstaltungstechnik haben wir beschrieben, was wir unter Kompetenz verstehen:
Kompetenz ist die nachgewiesene Fähigkeit, Erfahrungen anzuwenden und Wissen und Einstellungen zu untermauern. Wir wollen sicher sein, dass die Person sicher arbeiten kann. Das Wissen um die Sicherheit ist nur eine Grundlage der Kompetenz. Vielleicht lässt sich das am besten mit einer kleinen Frage illustrieren: Wen bevorzugen Sie im Brandfall: Jemanden, der in der Lage ist, ein Feuer zu löschen oder jemanden, der alle Brandklassen kennt? Dieser kompetenzbasierte Ansatz bedeutet auch, dass Wissen, Gesetzgebung und Haltung immer in Abhängigkeit von der Kompetenz sind oder was man davon wissen muss, um etwas richtig machen zu können. Für unsere Arbeit ist es entscheidend, dass wir wissen, wie Sicherheit funktioniert, und nicht blind Regeln befolgen. Die Komplexität unserer Arbeit macht es notwendig, Entscheidungen zu treffen, die dieses Verständnis erfordern.
Die meisten Länder sehen ihr Gesundheits- und Sicherheitssystem als einzigartig an, aber in Wirklichkeit basieren sie alle auf denselben Konzepten. Die Unterschiede liegen vor allem in den Verfahren, der Arbeitsorganisation, Zertifizierungen, Regularien und Entscheidungsgremien oder der Aufgabenteilung. Aber sicheres Arbeiten ist in ganz Europa gleich. Auch wenn die Regeln unterschiedlich sind, die Risiken sind die gleichen: Wasser ist nass (und leitfähig), die Schwerkraft funktioniert und Strom schmerzt. Das ist eine gemeinsame Basis, mit der wir umgehen können. Die Gesetzgebung weist kleine Unterschiede auf, aber der Geist des Gesetzes ist in den einzelnen Ländern fast gleich. Am schwierigsten ist es, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit und Haftung zu finden. Die Arbeitsorganisation, die Verteilung der Verantwortlichkeiten und Kompetenzen auf die verschiedenen Berufsbezeichnungen variieren von Land zu Land. Aber am Ende muss doch jede Kompetenz in der Organisation vorhanden sein. Mit anderen Worten: Mindestens eine Person muss sie haben. Die Arbeit in einem europäischen Kontext mit sich ständig ändernden Arbeitsplätzen erfordert eine Form der Standardisierung, um sich gegenseitig zu verstehen.
Um die europaweite Anerkennung sicherzustellen, nutzen wir die von ESCO entwickelten Kompetenzen. Dies ist eine Datenbank von Kompetenzen und Berufen, die den Arbeitsmarkt in allen europäischen Ländern verbinden wird. Auf diese Weise knüpft das Projekt direkt an die nationalen Bildungssysteme, Berufsbilder und Zertifizierungen an. Wir verfeinern die Inhalte und machen sie detaillierter, um sie für die Erstellung eines gemeinsamen Bildungsprogramms und Bewertungsverfahrens nutzbar zu machen.
Im Jahr 2016 beschloss die EU Kommission eine Agende für die Kultur in Europa:
Die neue europäische Kulturagenda ist die Antwort auf die Aufforderung der europäischen Staats- und Regierungschefs, durch Kultur und Bildung mehr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu tun und eine Vision einer attraktiven Europäischen Union zu bieten. Sie zielt darauf ab, das gesamte Potenzial der Kultur zu nutzen, um zum Aufbau einer integrativeren und gerechteren Union beizutragen und Innovation, Kreativität sowie nachhaltige Arbeitsplätze und Wachstum zu fördern. Kulturelle Teilhabe verbessert die Gesundheit und das Wohlbefinden. 71% der befragten Europäerinnen und Europäer stimmten zu, dass „das Leben in der Nähe von Orten, die mit dem kulturellen Erbe Europas verbunden sind, die Lebensqualität verbessern kann“.
Die Förderung der Weiterbildung nimmt in dieser Agenda eine wichtige Rolle ein. Auch aus diesem Grund ergriff die Kommission in diesem Jahr erneut die Initiative und startete ein Projekt mit dem Titel: Pact for skills. Die wichtigsten Prinzipien der Charta sind:
Förderung einer Kultur des lebenslangen Lernens für alle, Aufbau starker Qualifikationspartnerschaften, Überwachung von Qualifikationsangebot und -nachfrage und Antizipation des Qualifikationsbedarfs, Einsatz gegen Diskriminierung und für Gleichberechtigung und Chancengleichheit. Die DTHG zählt im Verbund mit der Organisation Creativeskillscouncil zu den Erstunterzeichnern dieses Pakts und hat in diesen Tagen ein eigenes Projekt eingereicht.
Die DTHG hat in den letzten zwei Jahren zwei Teilprogramme aus dem großen NEUSTART KULTUR-Förderprogramm der Bundesregierung und der Beauftragten für Kultur und Medien (BKM) zur Unterstützung der Theater während der Pandemie betreut. Um den Bedarf an Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen im Theaterbereich zu ermitteln, hat die DTHG mit fast 800 Privattheatern Kontakt aufgenommen und eine Umfrage durchgeführt, an der 182 Theater teilgenommen haben. Die Befragung wurde in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen „Kulturexperten“ unter der Leitung von Oliver Scheytt durchgeführt.
- 78% der Teilnehmenden (143 von 183) sind an mindestens einem der Themen interessiert.
- 22% (40 von 183) der Teilnehmenden haben kein Interesse an einem der Themen bekundet.
Das Ergebnis der Umfrage sowie unsere Erfahrungen und der tägliche Austausch mit Menschen, die in der Theater- und Veranstaltungsbranche arbeiten, haben uns deutlich gezeigt, dass Weiterbildungsbedarf besteht, insbesondere in den Bereichen Informationstechnologie, Veranstaltungstechnik und Veranstaltungsmanagement. Wir sind der Überzeugung, dass erfolgreiche Lern- und Trainingsmethoden folgende Voraussetzungen erfüllen müssen 1. auf Kompetenz beruhen, 2. die neuesten technologischen Entwicklungen umsetzen und 3. für alle zugänglich sein.
Virtuelle Lehrmittel
Die aktuelle Situation hat uns einmal mehr gezeigt, wie wichtig digitale Lehr- und Lernformate sind und – noch mehr – in Zukunft sein werden. Nicht nur an Hochschulen, sondern auch in Trainings- und Lernsituationen im Theater- und Eventbereich. Durch den Einsatz von Augmented Reality wollen wir gezielt den Einsatz sicherheitsrelevanter Arbeiten unterstützen, z.B. zur Risikobeurteilung, zur Überprüfung der funktionalen Sicherheit, zur Ferndiagnose und Fernwartung. Bislang gibt es nur eine öffentliche Lehre und keine kompetenzorientierte Weiterbildung, die auch Quereinsteigern den Einstieg in den Beruf erleichtern könnte. Um kompetenzorientiertes Lehren und Lernen zu ermöglichen, hat das Team der digital.DTHG in Zusammenarbeit mit Lehrenden und Studierenden des Studiengangs Theater- und Veranstaltungstechnik und -management“ an der Beuth Hochschule für Technik Berlin neue Lehr- und Lernwerkzeuge in der virtuellen Realität entwickelt. Bisher haben wir mit den folgenden acht Prototypen gearbeitet, von denen sechs auf das Training von sicherheitsrelevanten technischen Abläufen fokussiert sind, während die zwei weitere auf das Lernen von Licht- und Tontechnik ausgerichtet sind.
Weitere Information dazu gibt es hier: https://digital.dthg.de/en/projects/virtual-training-tools/
Beitragstext & Bilder: Hubert Eckart
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