DTHG vor 100 Jahren: 1918
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17. Dezember 2021Zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen, 40 Jahre geteiltes Deutschland und die Coronavirus-Pandemie:Das alles hat die DTHG überlebt. 1907 von theatertechnischen Enthusiasten gegründet, erlebt der Verband derzeit eine Renaissance. Aber wie war es vor 100 Jahren? Hubert Eckart, Autor der zweibändigen Chronik der DTHG, erzählt in dieser Rubrik die Geschichte der DTHG noch einmal.
1920: Die Berufsgruppe der Technischen Angestellten
Der technische Direktor der Dresdner Semperoper blickte Anfang des Jahres 1920 noch sorgenvoll aus seinem Büro in Richtung Terrassenufer und Elbe. Den Theatern fehlten die Techniker und dem Berufsverband die Mitglieder, keine 100 konnte man zählen. Und diese befanden sich nach dem Krieg in großer sozialer Not. So konnte es nicht weitergehen. Mit seinem Kollegen Adolf Linnebach, der am königlichen Schauspielhaus in Dresden tätig war und inzwischen die Verlagsleitung der Bühnentechnischen Rundschau übernommen hatte, sowie Friedrich Hansing, der von Chemnitz nach Stuttgart wechselte, schmiedete er einen folgenreichen Plan. Der Verband deutscher Bühnentechniker trat der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger bei. Damit verlor der Berufsverband zwar seine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit, aber als Mitglieder der Bühnengewerkschaft war es ihnen möglich, erstmals einen Tarifvertrag für die technischen Mitarbeiter an den Theatern zu erstreiten.
Mit dieser Botschaft wandten die Herren sich Anfang 1920 an die Mitglieder:
„Nach reiflicher Überlegung hat der Vorstand den Anschluss unseres Verbandes als Berufsgruppe der Deutschen Bühnengenossenschaft beschlossen. Durch diesen Anschluss wird jedes Verbandsmitglied zugleich Mitglied in der Bühnengenossenschaft und steht damit unter dem Schutz und der Förderung dieser machtvollen und einflußreichen Organisation, im Bezug auf alle sozial beruflichen Belange. Die Verhandlungen mit dem Deutschen Bühnenverein unter Mitwirkung des Präsidiums der GDBA führt unser erster Vorsitzender, Max Hasait. Es bleibt zu hoffen, dass den Mitgliedern bald positive Ergebnisse mitgeteilt werden können, Innerhalb der GDBA führen wir die Bezeichnung: Berufsgruppe der Technischen Angestellten.“
Die Mindestgage wurde auf 500 Mark festgesetzt, aber in der Praxis stiegen damit die Einkommen der Bühnentechniker deutlich. Dies bescherte der nunmehr Berufsgruppe der technischen Bühnenvorstände genannten Vereinigung zahlreiche neue Mitglieder, 385 waren es Mitte 1920, davon 242 neue!
Eine Vollversammlung mit Tagung sollte die bis dahin ausschließlich vom bisherigen Verbandsvorstand und nunmehrigem provisorischen Berufsgruppenvorstand ausgehandelten Verträge zur Diskussion stellen und durch die Mitglieder bestätigen lassen. Das hatte aber Schwierigkeiten: Wegen der umfangreicher gewordenen Mitgliederzahl und der damit zusammenhängenden Betreuung, wurde eine Bezirkseinteilung der Berufsgruppe notwendig.
Es entstanden fünf Bezirke: Norddeutschland, Ostdeutschland, Mitteldeutschland, Westdeutschland und Süddeutschland. Entsprechend dieser Einteilung wurden für jeden Bezirk zeitlich versetzt Bezirkstagungen angesetzt, welche aber gleichlautende Tagesordnungen seitens der Berufsgruppenleitung vorgegeben bekamen, um eine einheitliche juristische Grundlage für deren Beschlüsse zu erreichen. Zugelassen waren nur die Mitglieder der Genossenschaft. Bei den genannten Tagungen wurden gleichzeitig die zu ernennenden Bezirksleiter gewählt, welche den Gruppenrat der Berufsgruppe bildeten und die wiederum aus ihrer Mitte den verantwortlichen Berufsgruppenleiter gegenüber dem Präsidium des Genossenschaftsvorstandes bestimmten.
In der von W. Unruh 1966 aufgestellten Zählliste der Bühnentechnischen Tagungen wurde die Düsseldorfer Bezirkstagung vom 22. und 23. Juli 1920 offiziell als Gesamttagung des Verbandes unter Nummer 7 eingetragen, obwohl es 1920 gar keine Gesamttagung gegeben hat. Wegen der ausführlicheren Berichterstattung sollte man die Stuttgarter Bezirkstagung als Nummer sieben, eintragen und in einem Vermerk auf die anderen gleichzeitig stattgefunden Bezirkstagungen verweisen.
Die Theater erlebten gleichsam einen Aufschwung: Seit Beginn des Jahres ging unter der Leitung von A. Linnebach (Dresden) der Umbau des Schloßparktheaters in Berlin zu einer neuzeitlichen Bühne voran. Eine von Linnebach erfundene, neuartige Form der Drehbühne, welche bessere Raumausnutzung ermöglichte und vor allem die Tiefe eines Bühnenbildes vergrößerte, wurde zur Anwendung gebracht.
In München war ein neues Theater auf genossenschaftlicher Grundlage entstanden. Es sollte den Arbeitern eine Stätte geben, in der sie sich nicht als Gäste, sondern zu Hause fühlen. Diese Neue Bühne betonte trotz ihrer Grundlage, dass sie sich von aller Politik fern halten wolle.
Im Wiener Burgtheater wurden während der Sommerpause vor dem Vorhang zu beiden Seiten des Proszeniums zwei in großen Dimensionen gehaltene Kandelaber aufgestellt. Zum Zuschauerraum hin abgeblendet, waren sie ausschließlich zur intensiveren Beleuchtung der Bühnenbilder bei den Aufführungen großer Tragödien bestimmt. Außerdem wurde, um die Gestalten der einzelnen Darsteller schärfer hervortreten zu lassen, ein Scheinwerfer in der Mitte der Orchesterrückwand angebracht.
In der Königlichen Oper zu Stockholm wurde durch den Dresdener Technischen Direktor Max Hasait eine Rundhorizontanlage eingebaut. Die Beleuchtungseinrichtung dafür, einschließlich eines Wolkenapparates, wurde von der Firma Schwabe & Co. Berlin geliefert, die auch gleichzeitig die übrige Bühnenbeleuchtung durch moderne Apparate verbesserte. Bei ihrer erstmaligen Benutzung wurde die gesamte Anlage von der nordischen Presse mit großem Lob ausgezeichnet.
Über die Petersburger Theater unter der Herrschaft der Bolschewiki gibt eine Mitarbeiterin von Dagens Nyheter eine Schilderung der dort herrschenden Theaterzustände, die bei aller tendenziösen Färbung manche interessanten Tatsachen enthielten: Auch in den anderen Theatern der Stadt würden regelmäßig Freivorstellungen oder doch Vorstellungen mit ganz niedrigen Preisen veranstaltet. Ebenso fänden in Kasernen und anderen Einquartierungsstellen Vorstellungen für Soldaten und die Rote Garde statt, bei der Volkssagen und andere leichtfassliche Stoffe als Gegenstand der Handlung bevorzugt wurden. Russlands berühmtester Sänger, Schaljapin, schenkte sein gesamtes Honorar für einen Abend in der Oper einem Fonds für die Kinder der Theaterarbeiter.
Friedrich Hansing widmete sich mit Leidenschaft der Herausgabe mehrerer Ausgaben der Bühnentechnischen Rundschau und beschritt dabei auch neue Wege. In einer Kolumne beklagte er, dass technische Leistungen in einer Inszenierung allein dem Regisseur zugeschrieben wurden.
(Fortsetzung folgt)
Beitragstext und Bilder: Hubert Eckart (Geschäftsführer DTHG Service GmbH)
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