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27. Januar 2022Zwei Weltkriege, Weltwirtschaftskrisen, 40 Jahre geteiltes Deutschland und die Coronavirus-Pandemie:Das alles hat die DTHG überlebt. 1907 von theatertechnischen Enthusiasten gegründet, erlebt der Verband derzeit eine Renaissance. Aber wie war es vor 100 Jahren? Hubert Eckart, Autor der zweibändigen Chronik der DTHG, erzählt in dieser Rubrik die Geschichte der DTHG noch einmal.
1922 (Teil 1) – Prüfungsordnung für Theater- und Beleuchtungsmeister
In den grauen Januartagen des Jahres 1922 sah man einen sichtlich genervten technischen Direktor der Württembergischen Landestheater Stuttgart, wie sie seit der Abschaffung der Monarchie 1919 hießen, in seinem Büro grübeln. Zu viele Probleme in Form diverser Papiere, Briefe, Beschwerden, Projekte, Rechenblätter türmten sich auf dem Schreibtisch von Friedrich Hansing.
Nachdem die DTHG im Jahr zuvor sich durch die Eingliederung in die Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger für die Milderung der großen sozialen Nöte der Bühnentechniker einsetzen und erstmals einen Tarifvertrag aushandeln konnte, waren die Probleme nicht kleiner geworden.
Als „Dank“ hatten die Intendanten der Theater jetzt die technischen Direktoren und Bühneninspektoren aufs Korn genommen. Die Theaterunternehmer und -betreiber versuchten, aus den Verpflichtungen der Arbeitszeitordnung herauszukommen. Sie standen auf dem Standpunkt, dass einem Technischen Leiter aufgrund seines freien Vertragsverhältnisses zuzumuten sei, im Haus ständig verfügbar zu sein. Im Tarifvertrag für die Technischen Vorstände wurde seinerzeit von einer Regelung der täglichen Dienstzeit abgesehen. Man verlangte von den Technischen Vorständen ständige Mehrarbeit mit der Begründung, dass im Tarifvertrag nichts von einer „zeitbestimmten Arbeitsdauer“ festgelegt worden sei.
Der Fachverband reagierte auf diese Diskussionen, in dem er die seit zwei Jahren als Entwurf vorliegende Prüfungsordnung mit dem Titel „Richtlinien zur Prüfung als Technische Bühnenvorstände“ als Broschüre herausbringen wollte.
Gleichzeitig wurde eine Resolution an Ministerien und Behörden gefasst, in der es u. a. hieß:
“Die zuständigen Ministerien werden im Hinblick auf die bestehende Unsicherheit der Bühnenbetriebe, welche in der Häufung der Personalunfälle, Brände und dergleichen zum Ausdruck kommt, dringenst gebeten, die schon seit langen Jahren von den Ministerien behandelte Angelegenheit einer Prüfung für die technischen Bühnenvorstände möglichst bald zum Abschluß zu bringen. Es ist den Mitgliedern der Berufsgruppe unverständlich, dass man für Vorführer in Kinotheatern eine Prüfung fordert, während bei dem weit gefährlicheren Bühnenbetrieb der heutigen Theater dem Eindringen ungeeigneter Kräfte Vorschub geleistet wird.“
Und in der Tat begannen die Behörden langsam in dieser Angelegenheit etwas zu unternehmen.
Doch auch dieses Ansinnen fand nicht überall ungeteilte Zustimmung. Einige Theaterleiter hielten die Einführung einer Prüfungsordnung für nicht sinnvoll. In der BTR schrieb ein Intendant, dass an einen technischen Bühnenvorstand ständig neue Aufgaben gestellt würden, für deren Lösung es kein Schema F gäbe. So müsse dieser über eine Summe von Kenntnissen verfügen, welche es ihm ermöglichen sollen, die Wirkungen des Bühnengeschehens und die dabei entstehenden Gefahren der auf der Bühne auftretenden unterschiedlich wirksamen Kräfte zu überblicken und zu beherrschen. Auf welche Weise sollte sich nun ein Intendant überzeugen, ob ein Anwärter auf die Position eines technischen Vorstandes diesen Forderungen genügt? Ein amtliches Prüfungszeugnis einer Behörde sage ihm in dieser Hinsicht herzlich wenig, denn es teile nur mit, dass gewisse Kenntnisse für die Sicherheit vorhanden sind.
Dieser Einwand traf den Nerv der geplanten Prüfungsordnung. Um die Behörden überhaupt in dieser Sache tätig werden zu lassen, war man seitens der Berufsgruppe dazu gezwungen gewesen, den Sicherheitsaspekt als oberstes Ziel der Prüfung in den Vordergrund zu stellen. Demzufolge konnten nur Themen als Grundlagen zur Erreichung des Sicherheitszieles in dem aufzustellenden Prüfungskatalog ausgewiesen werden. Es gelang zwar, einige wenige berufsspezifische Themen mit unter die vorgesehenen Prüfungsaufgabenstellungen zu mischen, aber das erfüllte keineswegs die Einwände gegen die Prüfungsordnung seitens der künstlerischen Theaterleitungen. Trotzdem behielt man den einmal eingeschlagenen Weg bei und forcierte die Anstrengungen, und so trat einige Jahre später, am 28. Oktober 1925, die „Prüfungsvorschrift für technische Bühnenvorstände“ in Preußen in Kraft.
Die anderen Länder des Reiches und die Freien Städte, wie Hamburg, Bremen und Lübeck, folgten in unterschiedlichen Zeitabständen. Die Prüfungsordnung galt für Theater- und Beleuchtungsmeister an allen deutschen Theatern. Technische Direktoren mussten beide Prüfungen als Eignungsnachweis erbringen. Von Vertretern der Feuerwehr, des Deutschen Bühnenvereins, der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger und des deutschen Werkmeistverbandes wurden Grundsätze aufgestellt, die fortan für die Prüfung gelten sollten. Nach dieser Richtlinie wurden in den Städten Preußens – Berlin, Breslau, Köln, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel und Königsberg – Prüfstellen eingerichtet. Diese setzten sich aus dem technischen Beamten des Regierungspräsidenten oder des Polizeipräsidiums als Vorsitzendem, einem Beamten der Berufsfeuerwehr, drei Sachverständigen, die nach Anhörung der in Betracht kommenden Berufsorganisationen von dem Polizeipräsidenten zu ernennen waren, und zwar einem Technischen Oberleiter, einem Theatermeister und einem Beleuchtungsmeister zusammen. Beschlüsse der Prüfstelle wurden nach Stimmenmehrheit gefasst. Zulassungsalter war mindestens 25 Jahre. Von der Prüfung wurden diejenigen technischen Bühnenvorstände befreit, welche am Tage des Inkrafttretens der Prüfungsordnung mindestens zehn Jahre in einem bühnentechnischen Betrieb ohne Beanstandungen verantwortlich tätig gewesen waren.
Allerdings entzündete sich genau an dieser Regelung eine neue Diskussion: Die Mehrzahl der Anwesenden war der Ansicht, dass es sich dabei nur um eine zehnjährige Tätigkeit als bühnentechnischer Vorstand handeln könne. Später wurde konkretisiert, dass als Berechnungsgrundlage nur die Zeit an einem Theater gelten kann, an dem derjenige als bühnentechnischer Vorstand gearbeitet hat. Wechselt ein Mitarbeiter das Theater, so muss er dennoch die Prüfung absolvieren!
(Fortsetzung folgt)
Beitragstext und Bilder: Hubert Eckart (Geschäftsführer DTHG Service GmbH)
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