Brief an die VBG
28. Januar 2022Claude Blatter – Ein Nachruf
1. Februar 2022Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne
…schreibt Hermann Hesse.Jedem? Der Zauber zu Jahresbeginn liegt im Wunder einer besonderen Diversität.
Die Vielfalt der unterschiedlichen Rechnungen, die in der ersten Woche bereits in die vom alten Jahr und seinen bösen Geistern gereinigte Behausung einfällt, lässt den Zauber ein wenig trüber erscheinen.
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Ah, verstehe. Bezahlen oder kündigen, Mahnung oder lange genug warten. Man hat ja eine Wahl. Da verstehen die Rechnungssteller (die DTHG ist auch dabei, aber das ist was ganz anderes!) aber meist keinen Spaß.
Wer nicht bezahlt, der bekommt die vielfältigen Möglichkeiten des Mahnwesens zu spüren. Die diversen Mahnverfahren von der freundlichen Bitte bis zum geschäftsmäßigen Inkassobüro Moskau. Alles dabei. Vielfalt ist alles.
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden.
Was kann er meinen? Neue Räume hat die DTHG bereits seit letztem Jahr. Leider konnten wir sie aufgrund der vielfältigen Mutanten und Verordnungen nicht so richtig nutzen.
Ach so, die Mutanten und Corona. Aber das stehen wir jetzt auch noch durch.
Auch die Forderungen derer, die unbedingt zum Punkt Null zurückkehren möchten und alles wieder wie vorher machen möchten. Jede Aufführung nachholen und jede Messe mit vergrößerter Fläche wieder am Start haben wollen. Wir müssen nur noch die Löcher bis zum Ende stopfen, dann geht der Erfolg wie vorher weiter. Wer am lautesten schreit, wird gehört werden! Deshalb wird weitergemacht, ohne Aufbruch. Was vorher war, kann ja nicht einfach weggehen. Das dachten die Wikinger auf Island auch, als es plötzlich immer kälter wurde.
Das Leben ist vielfältig, leider sind die Menschen es oft nicht. Das nennt man dann einfältig. Manchmal kommt der Zauber des Neuanfangs nämlich nicht unbedingt angekündigt und schon gar nicht herzlich erwartet, sondern über ganz diverse Wege ist er einfach da.
Hermann Hesse formuliert es positiver und deshalb lasse ich ihm den letzten Satz meiner kleinen Mitteilung. Ich bin zwar dicht am Theater, aber kein Dichter am Theater.
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden.
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Hubert Eckart
Gute Vorsätze müssen nicht gut überlegt sein
Mit dem Beginn eines neuen Jahres ist auch das Fassen guter Vorsätze zu einem allseits praktizierten Ritual geworden. Dass dieser durchaus löbliche Brauch nicht immer den Gesetzen der Logik und Vernunft folgen muss, zeigt ein Beispiel der Deutschen Bahn.
Seit vielen Jahren nimmt sich das Unternehmen vor, seine Strecken zu modernisieren und für mehr Tempo und Pünktlichkeit zu sorgen. Über die Erfolge gehen die Meinung weit auseinander.
Für das Jahr 2022 hat die Deutsche Bahn die Inbetriebnahme einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke angekündigt. Zwischen Stuttgart und Ulm sollen künftig die ICEs mit 250 km/h dahinbrausen und das noch bevor ein Ende der Baumaßnahmen des Jahrhundertprojektes Stuttgart 21 abzusehen ist. Ohne große Proteste hat die Bahn zehn Jahre an der 60 km langen Strecke zwischen Wendlingen am Neckar und Ulm gebaut. Baukosten rund vier Milliarden Euro, künftige Zeiteinsparung 15 Minuten.
Da sage nochmal einer, die Deutschen seien mutlos und hätten keine Visionen.
Statistisch betrachtet hat man an jedem Tag der zehn Jahre rund 1 Million Euro verbaut und dabei 16,43 m Strecke gebaut. Ein Kilometer kostete 66,66 Millionen Euro und für jede Minute der erhofften Zeiteeinsparung war man bereit, 266 Millionen Euro auszugeben.
Das Ganze funktioniert natürlich nur, wenn der Zug den Bahnhof Stuttgart pünktlich verlässt und zwischendurch kein Signal auf rot steht.
Alternativ hätte man natürlich auch einfach die bisherige Strecke weiter betreiben und jedem Fahrgast einen Kaffee spendieren können. Die 15 Minuten wären wie im Fluge vergangen, zumal die alte Strecke mehr optische Reize bietet als die vielen Tunnelfahrten auf der neuen. Für die gleiche Summe hätte man bei einem Preis von 3,50 Euro pro Kaffee insgesamt 1,142 Milliarden Kaffeepötte (das sind 3,12 Millionen pro Jahr) offerieren können.
Die Bahn hat sich anders entschieden. Vielleicht, weil so viele Fahrgäste gar nicht in den Zügen Platz finden oder aber in der Chefetage des Unternehmens einfach anders gerechnet wird? Hoffen wir, dass die guten Vorsätze dieses Mal in Erfüllung gehen.
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf´ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden,
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!
Wesko Rohde